INTERVIEW
mit Meteorologe Lutz Katzschner über Klimaschutz und Kohleausstieg in
Kassel
Umweltexperte Prof. Dr. Lutz Katzschner hat sich mehrfach in die Kasseler Politik eingemischt, etwa beim Gewerbegebiet Langes Feld. Wir sprachen mit dem Meteorologen über Klimaschutz und Kohleausstieg.
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ARCHIVFOTO: © Dieter
Schachtschneider
Ich finde das äußerst positiv. Wir Wissenschaftler versuchen schon seit Jahren, über die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu informieren. Zur Politik sind wir damit aber nie richtig durchgedrungen. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat das geschafft. Es hat sich die Erkenntnis verbreitet, dass jeder einen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss.
Wir haben zwei große Probleme. Wegen der Beckenlage der Stadt wird es durch die veränderte Wetterlage im Sommer immer öfter zu höherer Hitzebelastung kommen. Das wird gesundheitliche und auch energetische Folgen haben, weil etwa mit dem Einbau von Klimaanlagen zu rechnen ist. Das andere große Problem ist die Lufthygiene. Durch austauscharme Wetterlagen wird die Belastung mit Stickoxiden und Feinstaub im Stadtgebiet zunehmen. Die zuletzt unterschrittenen Grenzwerte etwa für Stickoxide könnten wieder überschritten werden.
Die Strategie überzeugt mich nicht. Das Kraftwerk an der Dennhäuser Straße
ist ein altes Kraftwerk. Eigentlich müsste man es
abschalten.
Energetisch gesehen ist das insgesamt nicht der optimale Weg. Bei der Klärschlammverbrennung entstehen Emissionen, die herausgefiltert werden müssen. Außerdem enthält Klärschlamm Phosphat, das nach neuesten Vorschriften für die Düngung eingesetzt werden soll. Das Altholz lässt sich besser verbrennen. Hier gibt es die Möglichkeit, Staubpartikel herauszufiltern. Ob das aber als Ersatz für die Kohleverbrennung ausreichen wird, ist fraglich. Eigentlich müssten andere Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
Unbedingt muss die Wärmeversorgung im alten Gebäudebestand saniert werden. Geprüft werden muss, ob alte Ölheizungen durch Kraftwärmekopplungsanlagen ersetzt werden können, die Wärme und Strom erzeugen. Weiter gefördert werden muss der Ausbau dezentraler erneuerbarer Energie. Gebäude müssen zu Plusenergie-Häusern werden, bei denen die jährliche Energiebilanz positiv ausfällt, weil mehr Energie gewonnen wird, als in Form von Elektrizität, Gas oder Heizöl bezogen werden muss. Auch über Mobilität muss nachgedacht werden.
Der Kohleausstiegsplan ist für mich nur eine weitere Ankündigung. Absichtserklärungen zum Klimaschutz gibt es in Kassel genug. Man darf nicht immer nur planen, man muss auch mal was machen. Die Umsetzung kann in vielen Bereichen sofort passieren. Auch dürfen wir die Stadt nicht mehr vom Auto aus denken. Die Reduzierung der Emissionen durch Mobilität hilft dem Klimaschutz und der Gesundheit. Mobilität in der Stadt sollte anders organisiert werden. In den Radentscheid-Forderungen sehe ich erste Ansätze dazu.
Prof. Dr. Lutz Katzschner (71) gilt bundesweit als Klimaexperte. Der Diplom-Meteorologe war von 1979 bis 2015 an der Universität Kassel tätig, leitete das Fachgebiet Umweltmeteorologie. Der Ruheständler lebt mit seiner Frau in Kassel und verfolgt die Entwicklung der Stadt. Er hat vier Kinder und zwei Enkel. Er engagiert er sich für den BUND und als Hobbyornithologe.
aha
ARCHIVFOTO: ANTJE THON/NH
Die Einrichtung ist in Kassel überfällig. Wichtig ist, dass der Klimarat mit weitreichenden Kompetenzen für Umsetzungsmaßnahmen ausgestattet wird. Aufgaben und Projekte müssen gebündelt werden, auch um Förderungsmöglichkeiten abrufen zu können. Die Federführung sollte aber kein Vertreter des Fraunhofer-Instituts haben, sondern einer des Magistrats. Die Stadt muss die Maßnahmen ja auch umsetzen.
Für Kassel muss schnellstmöglich ein Klimaschutzplan erarbeitet werden. Dabei muss man nicht bei null anfangen, man kann auf die Daten des Klimaschutzplanes des Landes zugreifen und sich auf die Arbeiten im Zweckverband Raum Kassel zu Klimaschutz und Klimaanpassung beziehen. Wichtig ist, dass Treibhausgas-Emissionen nach sektoraler Verteilung betrachtet werden. Also welcher Ausstoß fällt bei Gebäudeheizungen an, welcher im Straßenverkehr, welcher in der Industrie? Das lässt sich auch überprüfen.
Gebäudesanierungen, energetische Konzepte, lassen sich zügig angehen. Wichtig sind aber auch die Einstellung und das Verhalten der Menschen zu tierischen Produkten, Wohnflächen oder kurzlebigen Waren. Immer noch wird argumentiert, wir könnten als Stadt nicht viel machen. Aber wie soll je was geschehen, wenn wir nicht anfangen und offensiv mit Aktivitäten in die Öffentlichkeit gehen? Wir sind verpflichtet voranzugehen - auch wegen unseres ökologischen Fußabdrucks.
aha